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WOLFGANG PLÖGER   |   DÜSSELDORF   20.01.17 - 18.03.17

 

 

Inherited Lies Wolfgang Plöger zeigt in den Räumen der Galerie Fischer ein Poster (from the series INHERITED LIES, 2016) mit zwei Farbtafeln. Es  basiert auf einer invertierten Abbildung einer Seite aus der Farbfibel (1917) des Chemikers und Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, der Anfang des 20. Jahrhunderts eine wissenschaftlich begründete Farbsystematik entwickelte, mit dem Ziel, verbindliche Regeln für die Verwendung von Farben durch Künstler, Designer und Architekten zu erstellen. Allerdings sah sich Ostwald mit einem Problem konfrontiert: die damaligen Drucktechnologien konnten die Farben nicht differenziert wiedergeben. Daher ließ er handkolorierte Farbkärtchen in die schematischen Darstellungen einkleben.

Wolfgang Plöger hat für sein Poster Oswalds Farbtafeln invertiert. Durch diese Manipulation wird das Farbsystem in sein Gegenteil verkehrt und ein anderer Farbraum eröffnet. Als Poster gedruckt, künden die invertierten Farbtafeln von Themen, die allen Arbeiten der Ausstellung inhärent sind:  Farben sind nicht bloß gegeben, sie werden erforscht und systematisiert, um die Wahrnehmung der Welt zu strukturieren. Gleichzeitig unterliegen die Aufzeichnung und die Reproduktion von Farben technisch-medialen Bedingungen, mit Konsequenzen für die Repräsentation von Subjekten.

Auf einem schwarzen Poster (It is amazing how often I think something is just the way thinks are turns out to have been a decision made by specific people, 2015) ist in weißer Schrift ein blog aus dem Internet zu lesen, in der eine afro-amerikanische Amateurfotografin den Anstoß zu einer Diskussion über die Darstellung schwarzer Haut in den Medien Fotografie und Film gibt. Unter anderem verweist sie auf Jean-Luc Godard, der sich im Zusammenhang mit einem Filmprojekt in Mozambique weigerte, Material von Kodak zu verwendet. Godard kritisierte einen dem Material inhärenten Rassismus. Bereits in der Frühzeit des Filmes wurde der „europäische Hautton“ zum Standard mit Konsequenzen für die Filmtechnologie. Belichtung, Schminke und die verwendete Chemie im Entwicklungsprozess dienten der kontrastreichen Darstellung weißer Schauspielerinnen.

Wolfgang Plögers Arbeiten nehmen bei Fragen der Subjektrepräsentation ihren Ausgangspunkt, sie untersuchen jedoch auf einer konzeptuellen Ebene, inwieweit die scheinbar neutralen Medientechnologien „Lügen“ weitertragen. White Balance, 2017 besteht aus einer Kombination von Papieren in unterschiedlichen Weißtönen. Um ein farbneutrales Bild zu erhalten, muss die Kamera einen Weißabgleich vornehmen, d.h. die Kamera wird auf die Farbtemperatur des Lichts am Aufnahmeort sensibilisiert. Sie muss in der Lage sein, die verschiedensten Nuancen zu erkennen, um auf dieser Grundlage ein „objektives“ Bild zu erzeugen. Auf dem Poster Black Balance, 2017 ist anhand eines Wikipedia-Eintrag ablesbar, dass der invertierte Begriff nicht existent ist, die Nuancen von Schwarz spielen in den Medientechnologien keine gleichbedeutende Rolle. Der Effekt wird auf einer weiteren Posterarbeit gleichsam vorgeführt, wenn die auf einen vergrößert reproduzierten schwarzen 16mm Filmstreifen gesprühte Farbe aufgesogen wird. Den Konsequenzen für die Bilder von Menschen mit dunkler Haut geht Wolfgang Plöger in weiteren Arbeiten nach: Zitate auf farbigen Filmstreifen umkreisen das Phänomen, dass schwarze Protestbewegungen durch schwarz-weiß footage geprägt sind (inherited lies, 2015); Bildersammlungen Barack Obamas in Farbe und Schwarz-weiss konstruieren vollkommen verschiedene öffentliche Bilder des ehemaligen Präsidenten (Barack Obama, Google Image Search, 2013).

Für seine Google Image Search Library (seit 2003) fasst Wolfgang Plöger Bilder aus dem digitalen Medium in Büchern zusammen. Die sich unaufhörlich im Netz verbreitenden Bilder werden mithilfe je eines Schlagworts sortiert und an einem bestimmten Tag und in der Reihenfolgen, in der sie in Google erscheinen, abgespeichert. Eingebunden in ein Buch hält Wolfgang Plöger so das neue Bilderwissen über die Welt fest. Für die Ausstellung in der Galerie Fischer wurden die Bücher zu einer Bibliothek sortiert, in der die Farben der Einbände die Ordnungssystematik bestimmen. Wie sich aus der Kombination von Farben und den Möglichkeiten Bilder auszudrucken neue Ordnungen generieren lassen, untersucht Wolfgang Plöger auch in seinen abstrakten Arbeiten auf Papieren, deren Eigenschaft die Hersteller mit der Bezeichnung „High White Smooth“ beschreiben. In Print Stop sind Drucke in einer rasterförmigen Struktur auf der Wand angeordnet. Farbige Papiere wurden mithilfe einer Rasterfolie, die beim Kopieren von Fotografien Verwendung findet, eingescannt. Die entstanden Farbflächen wurden am Computer manipuliert und mit einem Inkjetprinter ausgedruckt, der im Prozess willkürlich angehalten wurde. Im Ergebnis sieht man, wie sich immer wieder neu Form- und Farbkombinationen generieren. Es ist ein Versuch den digitalen Reproduktions- und Drucktechnologien mit einer künstlerischen Poesie zu entgegnen, den Zufall ins Spiel zu bringen. Für Collection of Prototypes #3, 2016 hat Wolfgang Plöger mithilfe des „color selection tools“ in Photoshop eigene „Farbtafeln“ entwickelt. Auf diesen markieren die gestrichelten Linien des Auswahlwerkzeugs rechteckige Flächen in unterschiedlicher Größe, aber jeweils mittig auf die Farbfläche gesetzt. Diese Farbflächen werden zu monochromen Bildern, in denen die Farbe die Rolle des Bedeutungsträgers übernimmt – Farbe, die manipuliert und immer wieder neu systematisiert werden kann und immer neue Farbräume eröffnet.

In Wolfgang Plögers Arbeiten überkreuzen sich Medienreflexionen und Formsprachen der 1960er und 1970er Jahre. Die in den Galerieräumen aufgeschütteten Materialhaufen erinnern an Rainer Ruthenbeck oder Walter de Maria, der die konzeptuelle Dimension seines Materials betonte: „the dirt (the earth) is there not only to be seen, but to be thought about“. Beim genauen Hinsehen findet man in Plögers Schüttungen Farbstücke, denn es handelt sich um Deinkingschlamm, einen Reststoff beim Recycling, der aus den Druckfarben besteht, die vom Papier gewaschen wurden. Es ist eine zufällige Koinzidenz, dass Inherited Lies am 20. Januar eröffnet wurde. Seitdem erhält die Frage nach den Täuschungen der Medien ungeahnte Dimensionen. Wolfgang Plögers konzeptuelle Arbeiten stellen im Fokus auf Farbe die Konsequenzen von Medientechnologien zur Diskussion. Sie sind Teil einer aktuellen Debatte, nehmen sich zugleich jedoch die Freiheit des farbigen Experiments.

Antje Krause-Wahl _ "So to use a search engine is potentially a political act (...). At the very least, the search query reveals certain structures. Relationships are exposed. Whether conscious or automated, decision have been made (this is first, this is last). Where there is ordering, we find control, power, and bias." Paul Soulellis, founder of the „Library of the Printed Web“ (2013) refers to the construction of a narrative created upon algorithm-based information networks, upon opinions, relationships and regimes - simply: upon the „knowledge“ of the Internet. His battle cry „Search, Compile, Print!“ has been answered by Wolfgang Plöger already in 2003 which makes him the very first „printed web artist“.
Beyond his work related to the Internet, Wolfgang Plöger's artistic practice includes diverse media like film, photography, sculpture, and diverse printing techniques. All works focus the inherent laws of the specific medium. How does a series of net-based images changes if printed in a book? What happens if a text is printed directly onto the film loop and being projected afterwards? What kind of images are created if single layers of color are separated from a CMYK print? Plöger doesn't employ media as a container. Instead he generates the subject of the work based upon the medium. More and more, his oeuvre develops into a self-referential system of pictorial and textual information.
His „Google Image Search Books“ - published in a limited edition - embody all hits of an Internet image research and follow upon a simple pattern: all search results for a topic, an event or a person will be included in the book („Gaza“, „Weapons“, Refugees“, „me in front of“, „Obama“). For the first time, Konrad Fischer Galerie presents all 78 volumes published to this day.
Both, the series "Selection" (2013/14) and "Collection of Prototypes" (2015/16) have been made in answer to the "Google Books" and focus the most substantial tool of digital image processing in particular: the selection tool. This way, they’re going even further in analysis. The "frames" are not based upon the „shadows“ of real photographs but are random products of the computer program Photoshop. In his series "Print Stop", Plöger disrupts the printing process of monochrome color fields by cancelling the current print job. Furthermore, Plöger shows single posters he sprayed over with inkjet colors.
The central theme picked out here is the conditioning of both, image and text, the pre-formatting or framing of content which is running like a common thread through the history of media - just think of the book, index cards, photographic plates, substandard film, Polaroid, Cinemascope, computer screen, Twitter, Instagram... The medium still is the message.

 
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